Die neue Virusvariante VUI - 202012/01 oder B.1.1.7 (21.12.20)

Was ist über die neue Variante bekannt?

Die neue Variante von SARS-CoV-2, die als VUI-202012/01 oder Linie B.1.1.7 bezeichnet wird, wurde am 20. September erstmals in der Grafschaft Kent identifiziert. Matt Hancock, der Gesundheitsminister, gab am 14. Dezember erstmals die Existenz der Variante bekannt. Dies wurde anschließend von Public Health England und dem britischen COVID-19-Sequenzierungskonsortium bestätigt.
Die Variante trägt 14 Mutationen, darunter sieben im Spike-Protein. Das Spike-Protein vermittelt den Eintritt des Virus in menschliche Zellen. Die Zahl der Mutationen ist bei dieser Virusvariante vergleichsweise groß, andere Varianten, die weltweit in Umlauf sind, tragen deutlich weniger Mutationen.
Bisher wurden genetische Profile - oder Genome - dieser Variante weitgehend aus Großbritannien sequenziert, aber auch in Dänemark, Italien und Australien. Es gab auch Berichte über einen Fall in den Niederlanden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Beobachtungen nicht die wahre Verbreitung dieser Variante des Virus widerspiegeln. Die Mutation lässt sich nicht durch einen einfachen Test nachweisen, sondern nur durch die Sequenzierung des Virusgenoms.
Die Variante scheint in England für einen zunehmenden Anteil von Infektionsfällen verantwortlich zu sein, insbesondere in Regionen, in denen es schnell wachsende Fallzahlen gibt.

Ist die neue Variante gefährlicher?

Bislang gibt es keine Beweise dafür, dass die Variante die Schwere der Erkrankung verändert, weder in Bezug auf die Mortalität noch in Bezug auf die Schwere der Fälle von COVID-19 bei den Infizierten. An einer Bestätigung der vorläufigen Ergebnisse wird gearbeitet. Eine höhere Infektionsrate könnte aber schneller zu einer Überlastung der medizinischen Versorgungskapazitäten führen, VUI - 202012/01 ist deshalb eine reale Gefahr.

Wie kommt es zu Mutationen?

Mutationen sind ein natürlicher Teil der Virusentwicklung. Im Fall von SARS-CoV-2 können diese Mutationen aufgrund zufälliger Fehler während der Virusreplikation (Vermehrung), durch antivirale Proteine ​​bei infizierten Menschen oder durch genetische Durchmischung (Rekombination) auftreten. Anzeichen einer Rekombination konnten allerdings nicht festgestellt werden. Die meisten viralen Mutationenhaben keine Auswirkungen. Aus der ersten Pandemiewelle siond rund 50.000 Mutationen bekant und keine veränderte die virale Fitness signifikant. Gelegentlich kann jedoch eine Mutation oder im Fall von VUI - 202012/01 eine bestimmte Kombination von Mutationen dem Virus einen Vorteil bieten, z.B. eine höhere Infektiosität.

Woher kommt die neue Variante?

Bisher haben Wissenschaftler keine eng verwandten Virenvarianten außerhalb von England identifiziert. Die beobachteten Mutationsmuster unterstützen eher einen längeren Zeitraum der adaptiven Evolution in Großbritannien. Ähnliche Mutationsmuster wie bei VUI - 202012/01 wurden bei der Entwicklung von SARS-CoV-2 bei chronisch infizierten Patienten mit schwächerem Immunsystem beobachtet. Die aktuelle Hypothese ist, dass ein solches Szenario einer chronischen Infektion bei einem einzelnen Patienten möglicherweise eine Rolle bei der Entstehung dieser Variante gespielt hat. Dies wird weiter untersucht.

Wie viele Variationen von SARS-CoV-2 wurden gefunden?

Es gibt viele tausend Linien von SARS-CoV-2, die sich im Durchschnitt nur durch eine geringe Anzahl definierender Mutationen unterscheiden. SARS-CoV-2 weist aber derzeit weltweit nur eine geringe genomische Vielfalt auf. Feinheiten in den Mutationen, die in verschiedenen Linien vorhanden sind, können aber sehr nützlich sein, um Übertragungsmuster zu rekonstruieren.

Welche besonderen Mutation zeigt die neue Variante?

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Zunächst sollte angemerkt werden, dass viele der Mutationen, die VUI - 202012/01 definieren, schon früh in der Pandemie beobachtet wurden. Die Variante oder Abstammungslinie wird jedoch durch eine ungewöhnliche Anzahl und Kombination von Mutationen definiert. Es wurde zuvor gezeigt, dass eine dieser Mutationen, N501Y, die Bindung des Virus an Rezeptoren in unseren Zellen erhöht. N501Y wurde erstmals im April 2020 in Brasilien in einem Virus sequenziert und ist derzeit mit einer SARS-CoV-2-Variante assoziiert, deren Häufigkeit auch in Südafrika zunimmt.
Die besonderen Deletionen (Verluste), die im Spike-Protein von B.1.1.7 identifiziert wurden, sind in zunehmender Häufigkeit in mehreren anderen Abstammungslinien des Virus aufgetreten und werden auch bei chronischen Infektionen beobachtet, bei denen sie die Antigenität verändern können. Das Immunsystem erkennt sie nicht mehr. Diese Deletionen können auch mit anderen Mutationen in der Bindungsregion des Coronavirus-Spike-Proteins verbunden sein, einschließlich derjenigen, die bei Infektionen von Nerzen beobachtet wurden. Für eine weitere Mutation wurde gezeigt, dass sie eine Rolle bei der Fähigkeit des Virus spielt, dem Immunsystem des Menschen auszuweichen. B.1.1.7 enthält außerdem ein verkürztes ORF8-Gen, wobei Deletionen in dieser Region mit einer verringerten Schwere der Erkrankung in Zusammenhang gebracht werden.
Die funktionelle Wirkung dieser Mutationen und Deletionen, insbesondere in der in B.1.1.7 angegebenen Kombination, muss noch bestimmt werden. Die hohe Anzahl von Mutationen und die jüngste Zunahme der Prävalenz dieser speziellen Variante sowie die biologische Relevanz einiger Mutationskandidaten unterstreichen die Notwendigkeit einer eingehenden Untersuchung.

Haben die Mutationen Auswirkungen auf die Wirkung einer Impfung?

Impfstoffe lösen eine breite Antikörperantwort auf das gesamte Spike-Protein aus. Es wird erwartet, dass ihre Wirksamkeit durch die Mutationen nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Entsprechende Untersuchungen haben bereits begonnen. Es gibt jedoch zunehmend Hinweise darauf, dass andere Arten von saisonalen Coronaviren über längere Zeiträume hinweg der Immunität ausweichen können. Es ist daher denkbar, dass ein Punkt erreicht wird, an dem COVID-19-Impfstoffe wie bei Influenza angepasst werden müssen. Bei den neuen mRNA-Impfstoffen ist dies innerhalb kurzer Zeit möglich.

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