Wie gefährlich ist SARS-CoV-2? (07.04.20)

Es geht heute noch einmal um die Frage, wie gefährlich SARS-CoV-2 bzw. die Krankheit Covid-19 ist. Um es gleich vorweg zu nehmen - diese Frage kann derzeit niemand wirklich seriös beantworten, alle Aussagen dazu basieren auf verschiedenen mehr oder weniger wahrscheinlichen Annahmen, die sich (noch) nicht durch solide Daten belegen lassen.
Man müsste zunächst einmal definieren, was „gefährlich“ in diesem Zusammenhang bedeutet. Die Basisreproduktionszahl alleine ist dafür sicher kein guter Maßstab, denn wenn ein Virus eine hohe Basisreproduktionszahl hat, aber keine Todesfälle, schweren Symptome oder bleibenden Schäden verursacht, kann man es kaum als gefährlich bezeichnen.
Für die weitere Betrachtung soll ein Virus als gefährlich definiert sein, wenn ein hoher Prozentsatz (z.B. > 0,2%) der Infizierten stirbt - und bereits an dieser Stelle fehlen im Moment noch solide Daten, um SARS-COV-2 einzustufen.

Warum ist das so?

Die Zahl der wirklich Infizierten ist nicht bekannt. Viele Infizierte haben kaum Symptome und merken nicht einmal, dass sie infiziert sind. Diese Personengruppe wird in der Regel auch nicht getestet. Es gibt also eine gewisse Dunkelziffer, alle Aussagen zur Dunkelziffer sind bisher aber auch nur mehr oder weniger wahrscheinliche Annahmen. Erste Studien zur Ermittlung der Dunkelziffer haben Anfang April in Deutschland begonnen, Ergebnisse werden wahrscheinlich erst nach Ostern vorliegen.
Das zweite Problem ist die Zahl der covid19-Todesfälle. Sie wird in verschiedenen Ländern unterschiedlich gezählt. Manche Länder zählen alle Toten mit nachgewiesener SARS-CoV-2 Infektion. Andere Länder zählen nur Todesfälle mit nachgewiesener viraler Pneumonie (Lungenentzündung).
Die Letalitätsrate ist definiert als die Zahl der durch eine Krankheit verursachten Todesfälle geteilt durch die Zahl aller von der Krankheit Betroffenen. Alleine schon, weil die Zahl der tatsächlich Betroffenen nicht bekannt ist, kann noch kein seriöser Wert für die Letalitätsrate angegeben werden.
Aufgrund dieser Probleme ist es in der Epidemiologie nicht unüblich, einen anderen Wert für die Bewertung der Gefährlichkeit eines Erregers heranzuziehen, die sogenannte Übersterblichkeit. Sie kann allerdings auch erst im Nachhinein ermittelt werden und hier spielen statistische Methoden ein wichtige Rolle.

Statistische Grundbegriffe

Eine Zufallsvariable ist eine Größe, deren Wert vom Zufall abhängig ist. Ein Beispiel für eine Zufallsvariable ist die Zahl der Todesfälle pro Zeitintervall in einem Land, also z.B. pro Monat in Deutschland.
Der Erwartungswert einer Zufallsvariablen beschreibt die Zahl, die die Zufallsvariable im Mittel annimmt. Er ergibt sich bei ausreichend häufiger Wiederholung als Durchschnitt der Ergebnisse. Für die Todesfälle pro Monat ergibt sich der Erwartungswert aus einer langjährigen Statistik. Eine entsprechende Statistik für Deutschland (über 20 Jahre von 1999 bis 2018 gemittelt) kann man auch für die einzelnen Monate des Jahres aufstellen:

Monat J F M A M J J A S O N D
Tote 78658 78946 77435 72469 68871 68151 67863 66865 66928 69662 71677 76283

Die Varianz ist definiert als die mittlere quadratische Abweichung einer realen Zufallsvariablen von ihrem Erwartungswert. Oder als Formel:

Und mit einem konkreten Beispiel für den Monat Januar aus den Jahren 2016 – 2018:

Jahr Tote im Januar (Realwert 1 - 3)
2016 81.742
2017 96.033
2018 84.973

Eingesetzt in die Formel:

Daraus ergibt sich eine Varianz von 37.443.960. Die Standardabweichung ist die Wurzel der Varianz, in unserem Beispiel 6.119.
Und schließlich ist der Z-Score die standardisierte Zufallsvariable. Wenn man z.B. für 2019 einen Wert von 82.000 Toten annimmt ( = Wert der Zufallsvariablen), ergibt sich der Z-Score wie folgt:

Z = Zufallsvariable – Erwartungswert / Standardabweichung

Z = (82.000 – 78.658) / 6.119
Z = 16.342 / 6.119
Z = 0,54

Nimmt man hingegen eine deutlich höhere Zahl von Toten, z.B. 100.000 an, ergibt sich ein größerer Wert für Z:

Z = (100.000 – 78.658) / 6.119
Z = 3,49

Um nun die „Gefährlichkeit“ eines Erregers im Nachhinein abschätzen zu können, wird genau dieser Z-Score ermittelt. Man geht dabei davon aus, dass ein großer Teil der zusätzlichen Todesfälle auf einen Erreger zurückzuführen ist und keine anderen Ursachen für eine höhere Zahl an Todesfällen (z.B. Naturkatastrophen) vorliegen.
Ein kleiner Z-Score würde bedeuten, dass ein Erreger keinen messbaren Effekt auf die Zahl der Todesfälle hat und damit als sehr wahrscheinlich ungefährlich eingestuft werden kann. Ein großer Z-Score bedeutet, dass der Erreger einen messbaren Effekt auf die Zahl der Todesfälle hat und eher als gefährlich einzustufen ist.
Für Italien wurde von Euromomo (www.euromomo.eu) für die zweite Märzhälfte 2020 ein Z-Score von über 7 ermittelt, für Deutschland ein Z-Score von nahe 0. Da die Pandemie noch andauert, sind die Werte als Momentbetrachtungen zu sehen.
Aufgrund der aktuell verfügbaren Daten kann man aber zumindest sagen, dass SARS-CoV-2 im März 2020 für in Italien lebende Menschen gefährlicher war, als für in Deutschland lebende. Die Ursachen für diesen deutlichen Unterschied erklärt die Statistik logischerweise nicht.

Was kann man mit dem Z-Score anfangen?

Die meisten Regierungen weltweit begründeten die Verhängung aller möglichen Einschränkungen mit der Gefährlichkeit des Virus, obwohl diese noch nicht bekannt war. Genau aus diesem Grund mussten aber auch Entscheidungen getroffen werden, um die Bevölrkerung für den Fall zu schützen, dass sich das Virus als gefährlich herausstellt. Nun liegen die ersten konkreten Zahlen bei Euromomo vor und bieten eine deutlich bessere Grundlage für Entscheidungen über die Verlängerung oder Aufhebung von Maßnahmen.

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